Paraguay 2019

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Im April gibt es einen hohen runden Geburtstag

Jumbo Jet der Lufthansa nachts am Flughafen Frankfurt
gleiche Zeit, gleiches Wetter, gleicher Flugzeugtyp wie im Dezember
Samstag, 6.4. Wieso entsteht hier keine 100 Tage nach meinem letzten Aufenthalt schon wieder neuer Inhalt?
Hat der Mann denn keine anderen Hobbies?
Oder zuviel Geld?
Möglicherweise erhebliche Mengen Resturlaub?
Oder ist er Black Member irgendeiner Fluggesellschaft?

Die Antwort auf alle diese Fragen ist nein!

Mein Schwiegervater wird kurz vor Ostern 90 Jahre alt und da ist die Anwesenheit natürlich Pflicht.
Die 3 Monate seit der Rückkehr sind so schnell vergangen und waren so arbeitsintensiv, ich werde es ab heute langsamer angehen lassen.
Die Anfertigung des Geburtstagsfilmes für Cecilia war ein echtes Zeitgrab. Das zweite Kamerateam hat mir nur die Hälfte seines Materials zukommen lassen, was mir im Dezember mangels Sichtmöglichkeit vor Ort leider nicht aufgefallen war.
Mal sehen, wie die Vorführung heute abend ankommt. Nachtrag: mangels Interesse fiel das Kino aus.
Die Koffer haben wir vor der Abreise mehrfach umgepackt, da es sowohl Platz- als auch Gewichtsprobleme gab.
Jetzt sitze ich hier auf dem Bett neben meinem kleinen ferngesteuerten Piccolo Hubschrauber mit allem Zubehör, welches fürs Fliegen erforderlich ist.
Die Fluglinie hat zumindest meinen Koffer offensichtlich sehr unsanft behandelt: die stabile Holztransportkiste für das Modell hat deutliche Schäden erhalten. Das Modell darin ist jedoch unbeschädigt.
Es befinden sich noch weitere relativ unübliche Gegenstände in den Koffern, doch dazu später mehr.
Zuerst einmal wird aber jetzt die reparierte Funkuhr wieder auf ihrem Platz in Betrieb genommen.

Die folgenden technischen Ausführungen haben keinen Unterhaltungswert:
Um Mitternacht gab es den zweiten Week-Rollover seit es das GPS-System gibt.
Die Satelliten übertragen das Datum als fortlaufende Wochennummer, aus welchem sich der Empfänger bei Bedarf das Datum errechnen muss.
Die Zählung begann mit der nullte Woche im Jahr 1980 und das Datenformat von 10 Bit erlaubt bis 1023 zu zählen.
Das ergibt alle 1024 Wochen oder alle 19 Jahre, 7 Monate und 14 Tage einen Überlauf.
Nicht immer kommt ältere Receiversoftware damit zurecht und gibt dann ein falsches Datum aus, so auch der seit 2006 hier laufende Jupiter-Empfänger.
Das ist nicht nur unschön, sondern verhindert leider auch die automatische Sommerzeitumstellung der Uhr.
Der Globalsat®-Empfänger, der heute installiert werden soll, ist auch schon etwas älter und da ich solch einen Rollover nicht testen kann war ich einigermaßen gespannt, ob gleich die richtige Zeit und vor Allem das richtige Datum in der Anzeige erscheinen.
Nach 37 Minuten TTFF (Time to first Fix; Zeit nach dem Einschalten des Empfängers bis genügend Satelliten gesehen und Daten gelesen wurden, um valide Werte auszugeben) kommt die Erlösung:
alle Daten sind gültig und plausibel.

Fast hätte mich eben der erste Weg hier im Land schon wieder in ein Eisenwarengeschäft geführt: ich habe vergessen Schrauben für den Umbau der Funkuhr in Chile mitzubringen. Nachtrag: die chilenische Uhr ist vor 8 Jahren schon modernisiert worden. Aber da springt Schwiegervater in die Presche: "Da kann ich aushelfen. Ich habe noch das ganze Sortiment Schrauben und Muttern das du mal hier deponiert hast."
Dann war das damals doch nicht ganz vergebens, hihi.
Gleich müssen wir unsere Koffer erneut packen, denn wir reisen morgen früh wieder ab.

"WAS? Nach 24 Stunden in Südamerika schon wieder abreisen?

Also doch zuviel Geld, Lufthansa Platin-Kunde oder sonst was!

Nein!

Da wir bis zum Geburtstag und bis zum Osterfest noch etwas Zeit übrig haben, bekommen unsere chilenischen Trauzeugen in Viña del Mar ab morgen Besuch von uns. Das sind schlließlich nur 3 Stunden Flug und nach 8 Jahren darf man sie auch mal wieder besuchen.
Ich melde mich dann von der Pazifikküste wieder ihr Lieben.
Gute Nacht.
Oh, da erreicht uns gerade eine Email der Fluglinie: der Flug morgen startet eine Stunde später. Nun ja, eine Stunde mehr Schlaf wäre wirklich nicht nötig gewesen, habe ich doch noch 6 Stunden Jetlag zu meinen Gunsten abzubauen.

2 Bordkarten mit handschriftlichen Markierungen liegen auf dem Laptop
Bordkarten für den Flug nach Chile
Sonntag, 7.4. Pünktlich am Flughafen angekommen erreicht uns die nächste nette Email der Airline:
Die Abflugzeit ist nun doch wieder eine Stunde vorverlegt.
Na schön, dann verbleibt nicht so viel Wartezeit bis zum Einsteigen. Der Flughafen ist auch nicht der schönste.
Angesichts der Schlange vor den Schaltern, die bis auf die Straße reicht erhöht sich mein Blutdruck nun allerdings geringfügig und zum Glück ist hier kein Personal anzutreffen, welches sich auskennt, uns nett zuredet oder gar Verantwortung übernimmt.
Das vermeidet einen internationalen Zwischenfall.
Es bleibt uns überlassen, uns freundlich in der Schlange vorzuarbeiten.
Nachdem ich 20 Minuten später gemütlich vor dem Gate sitze und auf das Boarding wartend diese Zeilen niederschreibe, hat anscheinend auch das Flughafenpersonal Handlungsbedarf erkannt und trifft hektisch entsprechende Maßnahmen, die sich in lauten Lautsprecherdurchsagen manifestieren.

Der Flughafen Santiago de Chile ist seit unserem letzten Aufenthalt erheblich erweitert worden und befindet sich immer noch im Umbau.
Die Anden haben wir innerhalb von nur 10 Minuten überquert doch nach der Landung benötigt das Flugzeug noch eine Viertelstunde um über verschiedene Rollwege bis zum Gate zu gelangen. Wir Passagiere laufen dann auch nochmal gut einen Kilometer innerhalb des Gebäudes bis wir zur Passkontrolle gelangen.
Das Wetter ist bestens und wir genießen anschließend die einstündige Fahrt Richtung Küste.
Kurz vor dem Ziel in Viña del Mar zieht leider Nebel auf, so dass ich wohl bis morgen warten muss um einen Blick auf den Pazifik zu erhaschen.
Die Begrüßung ist stürmisch, das Essen reichlich und vorzüglich und wir erzählen bis tief in die Nacht.

steile Straße, die sich bargauf zwischen bunten Häusern verläuft
unterwegs im Cerro Concepción
Montag, 8.4. Meine Frau und ich schlendern durch den Cerro Concepción und Cerro Allegre, wo wir uns 1994 kennengelernt haben. Gelegentlich scheint die Sonne mal durch die Wolkendecke.
Die Schrägaufzüge sind mitlerweile mit modernen Sicherheitseinrichtungen ausgestattet, die Bäumchen zwischen den Gleisen entfernt und die Berg- und Talstationen im Rahmen des Denkmalschutzes aufwendig saniert worden. So ausgestattet genügen die über 100 Jahre alten Maschinen wieder aktuellen Vorschriften und dürfen erneut in Betrieb gehen. Wie sich das auf den Fahrpreis auswirkt, wissen wir nicht.
Wir fragen daher an der Talstation des Ascensor Concepción mal vorsichtig nach dem Preis für einen Fahrschein bergwärts:
"Das ist kostenlos! Wir führen heute Justagearbeiten an der Anlage aus und verlangen daher kein Geld."
"Und wie lange gilt das Angebot?
Bis ganz oben?
Kommen wir auch wieder kostenlos herunter?
Kann denn bei den Probefahrten nichts passieren?"
Wer die Chilenen kennt, fragt da lieber vorher einmal nach. Smilie
"Nein, nein, das Angebot hat keine Haken."
Wir steigen ein.
Geliebtes Valparaíso - warum kümmert sich niemand um dich?
Ich sehe kaum Einheimische hier oben in den Cerros, dafür umso mehr Touristen.
Wo damals Bäckerei, Kiosk, Eisen- und Gemischtwarenladen waren befinden sich jetzt Galerien, Restaurants, Hosteles, Bars und Boutiquen. Alles ist so bunt wie in Disneyland, überall laufen knipsende Touristen herum und werden Souvernirs feilgeboten.
Es ist mindestens so schlimm, wie bei meinem Besuch 2011.
Wieder unten im ebenen Teil (dem "Plan") angekommen mache ich mich auf den Weg zum Hafen: es stinkt an jeder Ecke nach Urin und die Abgase des Straßenverkehrs steigen beißend die Nase herauf. Jeder freie Fleck auf dem Gehweg ist durch fliegende Händler besetzt.
Warum ich das alles in einem beinahe anklagenden Ton erwähne?
Ist das nicht die normale Situation in einer südamerikanischen Stadt?
Nein, das war vor 24 Jahren nicht so und ich hatte damals den Eindruck man kümmere sich um die Stadtentwicklung. Leider verändert sie sich immer weiter zu ihrem Nachteil.

"Liebes Valpo,
du warst einmal fast mein Wohnzimmer.
Ich durfte insgesamt ein halbes Jahr hier wohnen und ich fühlte mich wie zu Hause.
Pass auf, dass man dir wenigstens den Weltkulturerbestatus nicht aberkennt!"

breite Sandpiste mit niedrigen Holzhäusern auf der linken Straßenseite
Hauptstraße von Punta de Choros
Dienstag, 9.4. Bei Nieselregen geht es noch vor Sonnenaufgang mit dem Fernbus rund 500 km nach Norden.
Ab La Serena fahren wir die letzten 140 km mit dem Mietwagen nach Punta de Choros.
Lange nach Sonnenuntergang erreichen wir das kleine Fischerdorf im Süden der Atacama.
Es soll hier viele Unterkünfte für Touristen geben, doch wir sehen keine: es gibt kaum Straßenbeleuchtung, alles ist dunkel.
Am Hafen hat noch ein Imbiss geöffnet, der uns mit etwas Essbarem versorgt und uns den Hinweis gibt, wo wir zu Fuß nach einem Ferienhaus suchen sollen.

ein gelbes mit Reusen beladenes Fischerboot liegt auf dem Trockenen vor einem Berg aus Muschelschalen
in einer Ecke des Hafens verottet nicht mehr Benötigtes
Mittwoch, 10.4. Punta de Choros besitzt keine Tankstelle, keinen Supermarkt und keinen Geldautomaten aber einen kleinen Tante-Emma-Laden.
Es gibt hier Cabañas (kleine Appartements/Ferienhäuser) wo man das Dach öffnen und dann unter dem Sternenhimmel schlafen kann. Die Dinger erinnern äußerlich mit ihrer weißen Kuppelform an ein Observatorium.
Die Bedingungen sind hier zur Himmelsbeobachtung auch ausgezeichnet, weshalb sich nicht weit entfernt im Landesinnern eine Anzahl bekannter Observatorien befindet.
Wir habe jedoch eine herkömmliche Unterkunft bezogen.
Die Saison ist vorbei, die Mehrheit der Touristen schon lange abgereist und im Hafen möchte man uns zu einer Ausfahrt überreden: bei der Insel "Las Damas" sei eine große Gruppe Delfine heimisch. Weiters gäbe es dort Seelöwen und Pinguine zu sehen und das wo wir uns auf 29 Grad südlicher Breite befinden und damit gleichweit vom Äquator entfernt sind wie z.B. Kairo.
Wir verschieben das auf, vielleicht, morgen.
Später erfahren wir, dass die Zeit für Tiersichtungen schon im Februar endet. Die Fischer haben nicht viele Fische in den Netzen. Dafür umso mehr Krabben. Um diese, ohne das Netz zu beschädigen, zu entfernen werden ihnen kurzerhand die Scheren und teilweise die Beine abgerissen. Manches landet zur weiteren Verwendung in Eimern, das meiste wird, lebendig aber zum Tode verurteilt, einfach weggeworfen.
Ich will das nicht verstehen.
Mit Nachhaltigkeit hat das nichts zu tun.
eine Gruppe Seevögel steht auf einem Felsen hoch über dem Meer und sieht richtung offene See
die Vögel suchen die See nach Essbarem ab
Wir gehen an einem bemerkenswerten großen Berg Muschelschalen vorbei Richtung Klippen. Zoologisch gesehen handelt es sich dabei aber um Schneckengehäuse, die jedoch äußerlich nicht dem gewohnten Bild eines Schneckengehäuse entsprechen. Jedes dieser Tiere wird per Hand von Berufstauchern aus der Tiefe geholt, bevor es im Kochtopf endet.
Vor langer Zeit einmal belauschte ich ein Gespräch mit einem ehemaligen Muscheltaucher im Süden Chiles. Ihm hatte während eines Tauchganges ein Seelöwe den Unterarm abgerissen.
Seitdem betrieb er eine Bar.
Vom Leuchtfeuer hat man eine gute Sicht auf einen großen Schwarm Seevögel. Im Fressrausch stürzen hunderte Tiere ins Wasser um dort Fische zu erbeuten. Nach einem langen Strandspaziergang geht es ohne im Wasser gebadet zu haben in ein Restaurant, wo wir genau die Schnecken (man nennt sie hier "Locos") essen, deren Berg von Gehäusen am Morgen meine Aufmerksamkeit weckte. Nachtrag: die Tiere sind überfischt und stehen unter Schutz. Unter Auflagen dürfen sie gefangen werden.

mit frischem Fisch und Meeresfrüchten gedeckter Mittagstisch
Meeresfrüchteplatte für 2 Personen
Donnerstag, 11.4. Bevor wir uns auf der Panamericana Richtung Süden nach Coquimbo aufmachen fülle ich noch etwas Sand aus der Wüste in ein Tütchen. Das wird später die Sammlung einer Freundin erweitern.
Coquimbo hat nicht allzuviel zu bieten: ein riesiges begehbares Betonkreuz, "Cruz del Tercer Milenio", am höchsten Punkt der Stadt, ein paar lange Sandstrände allesamt gesäumt von Hochhäusern und 2 Häfen. Einen um die Erze aus den Minen der Umgebung wegzuschaffen und einen für die Fischerei. Hier lassen wir es uns mittags schmecken.
Nach Sonnenuntergang gelingt es mir den Leihwagen unbeschädigt durch den Berufsverkehr zum Übergabeplatz zu bringen.
Um Mitternacht besteigen wir den Nachtbus nach Viña.
Es folgen 7 sehr unbequeme Stunden. Irgendwann in der Nacht wache ich auf und frage beim Personal mal vorsichtig nach, wann sie denn gedenken die Lüftung in Betrieb zu nehmen. Es sind bestimmt 30°C hier drin, ich kann kaum atmen und innen an den Fenstern rinnen dicke Wassertropfen herunter.
Wortlos betätigt der Angestellte den entsprechenden Schalter.
Gedankenlosigkeit oder fährt er sonst Vieh durch die Gegend?

Sonnenuntergang hinter einer Halbinsel auf deren höchstem Punkt ein großes Kreuz steht
das über 80 Meter hohe "Kreuz des dritten Jahrtausends" in Coquimbo
Freitag, 12.4. Um kurz vor 8 Uhr liege ich endlich im heimischen Bett und kann den versäumten Schlaf nachholen. Der Jetlag ist immer noch nicht ganz überwunden.
Während die Frauen nachmittags zum Shoppen in der Stadt sind beginnt Tito mir seine Hausbar zu erklären Smilie

Samstag, 13.4. Nach kurzem schmerzhaftem Abschied befinden wir uns auf dem Rückflug nach Paraguay.
Das ganze Haus und die Anbauten wurde während unserer Abwesenheit frisch gestrichen, sonst passiert heute nichts Nennenswertes mehr, was im Urlaub ja auch mal sein darf.
Möchte ich an dieser Stelle betonen.

ein kleiner Modellhubschrauber fliegt im Freien, daneben stehen der Pilot und eine Zuschauerin
als Zuschauer kann man dem Treiben entspannt zusehen
Sonntag, 14.4. Damit sich Cousine Julia nicht so allein fühlt besuchen Carmen und ich sie zum Mittagessen. Wir plaudern den ganzen Nachmittag und nachdem ich hier meinen Modellhubschrauber ausgiebig fliegen konnte bekommt auch Julia eine Funkuhr fürs Büro geschenkt. Nachtrag: die Nachbarskinder haben alle erdenklichen Löcher in der Mauer gefunden um beim Fliegen heimlich zuzusehen. Der Rest der Familie ist nach Ciudad del Este gefahren. 4,5 Stunden im Auto hin, 7 Stunden Aufenthalt und 4,5 Stunden zurück. Das tue ich mir nicht an und verbringe den Abend daher alleine zu Hause und beschäftige mich mit Computerdingen. Ach ja, Matias bekommt heute einen kleinen Werkzeugsatz als Geschenk.

eine Nixieuhr zeigt kurz vor 17 Uhr an, der Garten im Hintergrund ist unscharf
Julias neue Uhr
Montag, 15.4. Heute ist es richtig unangenehm: 30°C und Luftfeuchte am Anschlag.
Ich fühle mich heute für die Zubereitung des Mittagessens verantwortlich.
Damit der Nudelsalat diesesmal wirklich wie zu Hause schmeckt befinden sich im Reisegepäck deutsche Majonaise, Knoblauchwurst und Gabelspaghetti.
Wann der Grießbrei und die Knödel den Weg in unsere Mägen finden ist bislang noch offen.
Insgeheim hege ich die Hoffnung, dass der Grieß hier Niemandem schmeckt. Nachtrag: der Grießbrei war bis auf einen Löffel ganz für mich.
Ich erlaube mir am Nachmittag bei klimatisierten 28°C an diesem Bericht weiterzuschreiben und den Flüssigkeitsverlusst ausgiebig auszugleichen.

geflieste Wand in einem Bad mit montiertem Wasserkasten und Duscharmatur
beachte den modernen Grohe Duschthermostat
Dienstag, 16.4. "Stefan, kannst du mal eben nach dem Wasserspülkasten im Bad sehen?"
Mit solchen Worten kann manchmal ein neues Abenteuer beginnen.
Diesmal bedeutet es nur Dreck, Ärger und Schweiß.
"Der Kasten nimmt kein Wasser mehr auf, man kann das WC nicht mehr spülen."
"Hat vielleicht jemand versehentlich den Absperrhahn für diesen Anbau zugedreht? Wo ist denn überhaupt dieser Hahn?"
Ich sperre den Hahn ab und demontiere den Wasserkasten. Das fällt nicht schwer, hängt er doch sowieso nur noch an einer Schraube.
Diagnose: Dichtung des Einlassventils verrutscht und verhärtet. Jedweden Reparaturversuch beginne ich erst garnicht, weil das Ablaufventil auch nicht mehr dichtet. Alles einlaufende Wasser läuft ungebremst unten raus.
Der Schwiegervater holt den Geldbeutel heraus und Ramon organisiert in 10 Minuten einen neuen Spülkasten. Leider ist es kein baugleiches Modell, so dass ich neue Befestigungslöcher in die Wand bohren muss.
Was in Deutschland so einfach ist, stellt mich hier vor neue Probleme: wo bekomme ich eine Bohrmaschine mit Steinbohrer her?
Verdammt ich muss doch bloß 2 Löcher bohren und ich sollte lediglich wieder Wasser in den Kasten bringen.
Der kleine Matias springt jetzt ein und holt die benötigte Maschine von seinem Opa.
Uff, Glück gehabt.
Nachdem der neue Kasten angebracht und angeschlossen ist bitte ich Matias, den Absperrhahn vorsichtig zu öffnen.
Das tut er auch, beherzt - mit dem Fuß!
Nun läuft oben frisches Wasser in den Spülkasten und unten etwa die gleiche Menge frisches Wasser auf den Boden des Bades.
ICH WERDE WAHNSINNIG.
Toll, den Hahn also wieder zudrehen um größeren Schaden sowie eine überhöhte Wasserrechnung zu vermeiden und Matias eindringlich ermahnen Handabsperrhähne auch nur mit der Hand zu betätigen. Damit sind nun neben Bad und Dusche auch die Küche mit dem Spülbecken trockengelegt.
Wo soll ich denn jetzt einen neuen Absperrhahn hernehmen und wann ergibt sich die Möglichkeit das Wasser im ganzen Haus abzudrehen?
Um mich abzulenken reinige ich das Bad vom Bohrstaub und als ich die Fliesen oben abwische kommt mir eine Handvoll Putz entgegen.
Eine große Handvoll.
Ich habe nun reichlich Zeit mich aufzuregen während ich das Bad gründlich reinige.
Am Abend öffnet Miguel den Wasserhahn und er bleibt fast dicht, ohne dass er irgendwelches Werkzeug oder Ersatzteile dafür benötigt hätte.
Hä?
"Ja Stefan, auch hier in Paraguay dreht man ein Ventil bis zum Anschlag auf und schließt es dann eine halbe Umdrehung. Nicht aber diesen defekten Hahn: diesen hier dreht man bis zum Anschlag auf und versucht dann mit viel Kraft noch veiter aufzudrehen. Aber du hast recht, dieser Hahn muss ersetzt werden, ich werde mich später darum kümmern."

ein Lötkolben, eine Rolle Lötzinn und eine kleine Platine mit Leuchtdioden, die blinken liegen auf dem Holztisch
Lauflicht mit Atmel-Controller
Mit Matias verbringe ich den Nachmittag.
Ich habe elektronische Bauteile mitgebracht um zusammen mit ihm eine kleine Blinkschaltung zu bauen.
Dafür, dass er noch nie einen Lötkolben in der Hand hatte lötet er außerordentlich geschickt, ich programmiere dann noch schnell etwas zusammen und schon haben wir ein nettes Moodlight gebastelt. Der Junge verliert im Verlauf aber schnell die Lust und das Aufräumen des Arbeitsplatzes ist natürlich auch nur was für Erwachsene.
Die ersten Gäste für die Feier am Donnerstag sind eben aus Argentinien angekommen und werden mit den üppigen Resten des Nudelsalates versorgt. Nachdem einige Lampen in Vorbereitung auf die morgige Geburtstagsfeier im Garten aufgehangen sind plaudern Miguel und ich bei Rotwein bis in die Nacht.
Elektrohubschrauber schwebt über einem sandigen Boden, rechts steht der Pilot
vergnüglicher Rundflug auf dem Fußballplatz
Mittwoch, 17.4. Heute wird der Piccolo-Hubschrauber erstmalig mit 100% Wasserkraft in die Luft steigen.
Ja natürlich, ein Wasserkrafthubschrauber. Jetzt spinnt der Autor völlig!
Nun, da Paraguay seinen Strombedarf vollständig mit Wasserkraft deckt befindet sich in den Flugakkus nunmal zu 100% ebensolcher Naturstrom.
Somit fliege ich tatsächlich ökologisch sauber!!
Die Bedingungen hier auf dem Boltzplatz sind zum Modellflug jedoch recht ungeeignet: Der Platz ist mit Bäumen gesäumt, was unberechenbare Leewirbel erzeugt.
Noch unberechenbarer sind da nur noch die Schaulustigen.
Ein Mädchen aus dem Pulk Kinder fragt, ob es auch mal steuern darf und greift dann beherzt in die Fernsteuerung.
Nein, nein, nein, so geht das nicht.
Ich verziehe mich mit dem Modell auf die andere Seite des Fußballplatzes.
Da habe ich meine Ruhe.
Matias ist nach 12 Minuten schon wieder langweilig.
Die letzten Reste des Nudelsalates sind soeben in meinem Magen gelandet.
Ich melde mich dann nach der Geburtstagfeier des Schwiegervaters wieder.

Geburtstagskind mit Familie posiert vor der Torte
Don Perfecto bläst unter Beifall die Kerzen aus
Donnerstag, 18.4. Heute ist der Geburtstag von Perfecto, meinem Schwiegervater.
Für die Feier zu seinem 90sten Geburtstag sind nur die engsten Familienangehörigen eingeladen. Damit beschränken sich die Vorbereitungen auf das Organisieren einer Feier für "nur" 70 Personen. Die Gäste sind für 20 Uhr eingeladen und genau dann soll ich die letzten gekühlten Getränke vom Getränkehandel abholen, die nicht mehr in die Kühlschränke passten.
Die Familie begibt sich um 18:30 Uhr in Richtung Kirche.
Die Messe soll gegen 19:30 zu Ende sein.
Es wird 20 Uhr, die Gäste kommen.
Alle Gäste.
Alle gleichzeitig.
Wo bleiben die Kirchgänger?
Ich bin weder gewillt noch habe ich die Zeit um mit den Leuten zu plaudern, schließlich habe noch zu tun. Mein Hals schwillt etwas an.
Ramon und ich gehen zum Getränkehandel damit sind die Gäste nun sich selbst überlassen.
Um 20:45 Uhr kommen die Gastgeber endlich von der Messe zurück.
Um den Schokoladenbrunnen hat sich auch niemand gekümmert. Ich baue in dort auf, wo später die Torte und die übrigen Deserts aufgestellt werden.
"Nein, nein, nein, der Apparat muss da hinten auf den Tisch neben die Salate."
Ich verstehe das nicht, schweigend versuche ich mich unauffällig mit Gerät und Verlängerungskabel irgendwie durch die vollen Tischreihen zu schieben.
"So, der Schokobrunnen ist jetzt am gewünschten Platz funktionsbereit."
"Warum steht der denn jetzt auf dem Tisch für die Salate?"
Mein Hals schwillt etwas weiter an.
"Weil du das so gesagt hast."
"Das habe ich nicht."
"Wo möchtest du ihn denn nun gerne hinhaben?"
"Na hierhin, wo die ganzen süßen Sachen sind."
"Gut, ich stelle ihn wieder da auf, wo er zu Beginn schon aufgebaut war und dann werde ich ihn heute nicht mehr anfassen!"
Gute Miene machend hüpfe ich nun wieder vollbeladen durch die Tischreihen und beschließe ab jetzt nur noch Gast dieser Feier zu sein.
Nachdem sich die letzten Gäste gegen 1 Uhr verabschiedet haben, beginnt eine Schwägerin mit dem Aufräumen.
"Doris, lass den Quatsch, setz dich zu uns und erzähl mit uns!"
"Aber morgen hat keiner Lust aufzuräumen, deshalb fange ich jetzt schon mal an."
Das ist nicht zu begreifen: es muss sowieso morgen aufgeräumt werden, denn heute ist das garnicht zu schaffen.
Nachtrag: wir haben sogar 2 Tage zum Aufräumen benötigt.

ein Regal im Supermarkt gefüllt mit Insektenvernichtungsmitteln in Sprühdosen und Flaschen
ein beachtliches Sortiment an Insektenvernichtungsmitteln
Freitag, 19.4. Mir gelingt es trotz klappernden Geschirrs, rückender Stühle und schleifender Tischplatten bis 11 Uhr zu schlafen.
Es deutet sich an, dass dieser Tag so einer werden wird, den man ohne schlechtes Gewissen aus dem Kalender streichen kann.
2 Uhr ist es gestern noch geworden.
Im Fernsehen laufen heute nur Filme mit religiösem Inhalt, ein James Bond oder Stirb langsam als seichte Unterhaltung bleiben ein Wunschtraum.
Ich verziehe mich ein paar Stunden mit dem Laptop und programmiere die Lauflichtschaltung neu, bekomme das aber heute nicht mehr nicht fertig.
Die Mücken werden täglich aktiver.

große mit Backwaren gefüllte Aluminiumboxen im Supermarkt
in der Backwarenabteilung
Samstag, 20.4. So, nochmal 2 Stunden in den Rechner getippt und jetzt blinken und funkeln die Lämpchen wie gewünscht.
Es ist windstill und so kann ich im beengten Garten etwas Modellfliegen.
Matias holt seine Drohne, kommt aber kaum 10 cm hoch in die Luft. Wie sich herausstellt ist der Akku leider am Ende seiner Lebensdauer angelangt.
Ich überlege den Akku gegen den Akku aus einem tragbaren Lautsprecher zu tauschen. Matias stellt mir sein Werkzeug zur Verfügung, verliert aber während ich die Akkus überprüfe wieder das Interesse. Gut, dann bleibt eben alles wie es ist. Ich werde aus Deutschland einen neuen Akku herschicken.
Perfecto und ich sind allein zu Hause, die übrigen sind wieder in der Kirche. Wie plaudern ein paar Stündchen, wärend ich mir den Inhalt einiger übriggebliebener Bierflaschen näher ansehe.
Wir befinden uns hier im Herbst, die gleiche Jahreszeit wäre bei uns Mitte Oktober erreicht. Und es ist so schwülwarm, dass der Schweiß überall tropfenweise herabläuft. Bei geringster Anstrengung rinnt er mir fast im laufenden Strahl von der Nase.
Nach dem Duschen versuche ich mich abzutrocknen. Doch trotz größter Anstrengung gelingt das nicht. Die Haut wird ständig aufs Neue schweißnass.

Sonntag, 21.4. Und wieder laufen dan ganzen Tag ausschließich Programme mit religiösem Inhalt im Fernsehen.
So, was geben denn die Ebooks auf dem Tablet noch her? Bei der Lektüre von Ernst Udets "Mein Fliegerleben" und dem "Tagebuch der Anne Frank" vergeht langsam der Tag.
Am Abend überraschen wir Myrna und Hector mit einem Spontanbesuch.
Die beiden haben ihr Haus nach langem Zögern an die Fleischwarenfabrik "Ochsi" verkauft und sich in direkter Nachbarschaft eine neues Eigenheim zugelegt. So, wie sich das mir hier und heute darstellt habe sich die beiden dadurch erheblich verbessert.
Bei Computerspielen endet der Tag.

eine Verkäuferin hinter der Ladentheke bedient einen Kunden. Im Hintergrund befinden sich elektronische Bauteile im Regal.
hoffentlich gibt es den Laden das nächste mal noch
Montag, 22.4. Die Lederschneiderin bekommt heute einen neuen Auftrag.
Zusammen fertigen wir das Schnittmuster für die kurze XT500-Sitzbank an.
Anschließen arbeite ich die vergangenen Tage für diese Seite auf.

Dienstag, 23.4. Heute suche ich in der Stadt nach einem Elektronikladen. Die letzten Wochen vor der Abreise nach Südamerika waren mit Vorbereitungen so vollgestopft, dass ich einiges vegessen habe einzustecken. Hier ist nun alles Gewünschte vorrätig, allerdings bin ich auch wenig anspruchsvoll.
Matias erzählt mir von seiner Hausaufgabe: bis Freitag soll er einen einfachen Stromkreis bauen. Na, das ist doch was für den Onkel aus Deutschland. Smilie
Trotz Auto und Hilfe von Cousine Noemi schaffen wir es aber heute nicht mehr das nötige Material zu beschaffen.
Na ja, ich weiß ja jetzt, wo ich morgen alleine weitersuchen kann.

Mittwoch, 24.4. Es ist heiß, ich schwitze unglaublich, die Gehwege sind eng und ich kenne mich nicht wirklich aus.
2 Stunden laufe ich durch die Stadt während ich in 2 Elektronikläden, 2 Elektro- und 3 Fahradgeschäfte sowie 8 Eisen- und Gemischtwarenläden vorstellig werden muss um kleine 6 Volt Glühbirnen zu bekommen. Passende Schraubfassungen dafür sind leider nicht zu beschaffen.
Zu Hause macht man sich schon Sorgen, weil ich zur verabredeten Zeit noch nicht zurück bin.
Nach dem Mittragessen wird dann gebastelt.
Genau mit dieser Reißnageltechnik hab ich als Jugendlicher einige Schaltungen aufgebaut. Das letzte Werk war sogar ein Stereo Entzerrervorverstärker für Plattenspieler, der viele Jahre gute Dienste leistete.

ein kleiner Junge hält stolz ein Holzbrettchen mit darauf befindlichem elektronischen Musteraufbau in den Händen
am Freitag gibt es eine Schulnote für diese Arbeit
Donnerstag, 25.4. Einen Teil der Hausarbeit muss ich heute nochmal anfassen. Durch die hohe Luftfeuchte reagiert ein Teil der auf dem Holzbrett aufgebauten Schaltung nicht wie gewünscht.
Nachdem die fertiggestellten Lederwaren abholt sind helfe ich Matias beim Verfassen der schriftlichen Schaltungsbeschreibung für diese Hausarbeit.
Nachtrag:Es gibt eine 5 für diese Arbeit, das ist die bestmögliche Note in Paraguay.
Während wir ab 20 Uhr die Koffer packen werden wir von sich verabschiedenden Verwandten immer wieder unterbrochen.
Ein paar mal schnappe ich das Wort Clorinda auf und muss schmunzeln. Irgendwann werde ich da nochmal hinkommen - mit Fotoapparat. Und wenn alles gut läuft, komme ich vielleicht sogar wieder lebend von da weg.Smilie
Die Nähmaschine findet nicht wieder zurück den Weg in meinen Koffer sondern bleibt hier, dafür darf es sich ein 50 Jahre alter argentinischer Petromax©-Leuchten-Lizenznachbau zwischen den Kleidungsstücken bequem machen. Geplant ist aus dem funktionsuntüchtigen Erinnerungsstück eine Hausnummernbeleuchtung zu bauen.
Das zweite Kamerateam von Cecilias Geburtstagsfeier kann die fehlenden Aufnahmen nicht nachliefern, man hat schon im Dezember nach nur 5 Tagen alle Aufnahmen dieses Auftrags gelöscht. Auch hat niemand die vergangenen Wochen genutzt um mir eigene Fotos oder Handyaufnahmen anzubieten, um den Film zu erweitern und abzuschließen.
Dann wird dieser hiermit jetzt als fertig definiert.
Um 24 Uhr endet der Tag.
Mit dem Betreten des Flughafens morgen werden 2 Wochen Schwitzen ihr Ende gefunden haben.

Freitag, 26.4. Um 6 Uhr ist die Nacht zu Ende.
Der Abschied wird so kurz wie möglich gehalten.
Seit 12 Uhr tippe ich das Ende dieses Berichtes in den Laptop, während ein Flugzeug nach dem anderen abgefertigt wird. Wie üblich ist hier in São Paulo noch kein Gate für unseren Flug über den Atlantik zugewiesen.
Die Idee später noch ein allgemeines Fotoalbum für Paraguay und Chile anzulegen gefällt mir.
Das wird aber ein paar Tage, Wochen oder Monate auf sich warten lassen müssen.
Nachtrag: Es wird Jahre dauern.
Unsere Boeing 747 verlässt gerade ihrer Parkposition in einer Ecke des Flughafens.
Ich mache hier Schluss.
Dankeschön fürs Dranbleiben.