Ender der 80er Jahre war ich oft in den französischen Alpen unterwegs.
Durch verschiedene Gründe kam ich leider die vergangenen 15 Jahre nicht mehr dazu.
Vor dieser Fahrt hatte ich im Internet recherchiert und mir den "Denzel" besorgt,
dessen Fotos schnell unbändiges Fernweh auslösten.
Gerne wäre ich dieses mal mit weniger Gepäck unterwegs gewesen.
Da ich jedoch nicht auf Hotels angewiesen sein wollte und überall wo es mir gerade gefiel mein Zelt errichten können wollte,
musste die kleine Japanerin rund 35 Kg Gepäck mit durchs holprige Gebirge schleppen.
Um abends den Dreck und Staub des Tages unter der Dusche loszuwerden, schlug ich mein Lager dann aber doch jede Nacht auf einem Zeltplatz auf.
Wo immer ich Rast machte oder zeltete erschien ich anderen Motorradfahrern als Exot:
"Mit so einem alten Motorrad und so viel Gepäck und dann noch alleine unterwegs ?"
Im Vorbeifahren hörte ich mal einen Vater zu seinem Sohn sagen: "schau da, die legendäre XT !"
Ein Italiener meinte: "Einen echten Klassiker fährst du da!"
Und eine deutsche Endurofahrerin träumte: "So eine werde ich mir irgendwann auch noch kaufen."
Wir sind keine alten Klassiker!
Ich gehe erst auf die 40 zu und sie ist gerade 18 geworden und
da sie die einzig echte Enduro weit und breit ist, sind die anderen die Exoten.
Hier in der Gegend kann man das Verkehrszeichen Nr. 250 ohne Zusatzbeschriftung als Haftungsausschluss verstehen:
die Durchfahrt erfolgt auf eigenes Risiko.
Mit Zusatzbeschriftung (Beispiel oben) tut man jedoch gut daran, nicht weiterzufahren, da sonst empfindliche Strafen drohen!
Damit man sich auch in Zukunft hier relativ frei bewegen kann, sollten Kraftfahrer dies unbedingt beachten und durch einen entsprechenden Fahrstil
besonders auf Fußgänger Rücksicht nehmen.
Das viele Gepäck wirkt sich auf solch grobem Schotter wie hier hoch über dem Máiratal nicht gerade positiv auf das Handling aus,
andererseits unterstützt es das Fahrwerk aber auch bei seinem ständigen Bestreben, die Räder auf dem Boden zu halten.
Wegen Zeitmangels hatte ich für die Anreise in die Alpen erstmals einen Autoreisezug genutzt.
Mit diesem ging es Samstags bis zum Bodensee und anschließend noch auf den eigenen 2 Rädern über den San Bernhardino Pass bis zum Lago Maggiore.
Der folgende Tag brachte trübes Wetter mit Nieselregen weshalb ich bis Genua die Fahrt über die Autobahn bevorzugte.
Von dort an tuckerte ich dann in Richtung Monaco auf der kurvigen Küstenstraße weiter.
Früh am Nachmittag in Ventimíglia angekommen konnte ich bei strahlendem Sonnenschein ein Bad im Mittelmeer nehmen.
Bei gutem Wetter wollte ich an den folgenden Tagen die schönsten Schotterpisten der Seealpen befahren.
Am ersten Tag befuhr ich unter anderem die gesamte Ligurische Grenzkammstraße.
Spektakuläre Aussichten, wohin ich auch kam.
Es war noch Feiertag in den beiden angrenzenden Ländern, wodurch hier recht viel Ausflugsverkehr herrschte.
Etwas schwierig gestaltete sich das Überholen einer Gruppe von ca. 20 Geländewagen, von denen sich die ersten 3 Wagen partout nicht
überholen lassen wollten.
Sie ließen mich eine Menge Dreck schlucken, konnten sich jedoch nicht lange erfolgreich wehren !
Ganz gemütlich arbeitete ich mich weiter in nordwestliche Richtung vor. Nur selten wurde dabei Asfalt gekreuzt.
Die kommenden Tage war ich praktisch alleine unterwegs und begegnete nur gelegentlich anderen Fahrzeugen.
Die Routen wiesen gelegentlich solch ruppige Passagen wie hier am Roche de Madeleine auf, waren aber sonst einfach zu befahren.
Kurz nachdem das linke Foto entstand verlor ich in einer tiefen Schlammrinne das Gleichgewicht.
Nach 10 Stunden im Sattel waren Konzentrationsfähigkeit und Kraft weitgehend aufgebraucht.
Es schien alles wie in Zeitlupe abzulaufen. In Gedanken spielte ich blitzschnell zwei mögliche Szenarien durch:
ich lasse mich in normaler Sitzhaltung mit umfallen und versuche dabei die Maschine möglichst langsam auf mein Bein abzulegen,
damit wenig am Motorrad kaputt geht, riskiere aber eine Verletzung oder ich steige vorher ab,
bleibe in jedem Fall gesund aber riskiere Defekte an der Maschine, deren Reparatur eine Weiterfahrt im Tageslicht möglicherweise ausschließen.
Dann darf ich hier im Hochgebirge übernachten.
Ich bin dann lieber abgestiegen, und es ist glücklicherweise auch kein Schaden am Motorrad entstanden
(außer dem üblichen in der Aufnahme verdrehten Lenker).
An diesem Abend ist es dann noch spät geworden:
450 Tageskilometer mit ca. 30% Schotteranteil ließen mich im Dunkeln noch über den Col de Var bis Briançon
und weiter über den Col de Montgenèvre nach Salbertrand fahren.
Von diesem Lagerplatz aus wollte ich 2 Tage ohne schweres Gepäck die umliegenden Berge erkunden.
Leider regnete es die folgenden Tage, was mich aber nicht davon abhielt, viele der ausgesuchten Strecken zu befahren.
Schließlich war ich nicht zum Spaß hier !
Auf der Assiettea war es bei strömendem Regen mächtig rutschig und schweinekalt, dennoch hatte ich einen riesen Spaß dabei.
Das Mopped und ich sahen diese 2 Tage rund um Susa aus wie einem Schlammloch entsprungen, kamen jedoch immer sauber wieder am Zeltplatz an:
ein paar Kilometer auf Asfalt im strömendem Regen sind wie einmal Dampfstrahlen.
Am zweiten Tag wurde es wieder trockener, so daß ich beschloss noch einen Tag dranzuhängen.
Der höchtse legal mit KFZ anfahrbare Punkt in den Alpen sollte natürlich nicht in der Sammlung fehlen.
Die Strecke zum Colle Sommeiller auf über 3000 m ü. NN ist allerdings weder anspruchsvoll noch bietet sie besonders schöne Aussichten.
Oben ist von den Resten des ehemaligen Rifugio d´Ambin nichts mehr zu sehen.
Die Topografie des Gipfelplateaus zeigt sich auch anders, als auf Fotos z.B. im "Denzel".
In geschützten Lagen waren Schneefelder zu sehen und das Schmelzwasser des Sommeiller-Gletschers rauschte laut talwärts.
Die kurze Fahrt hoch zum Fort de la Turra kann man als anspruchsvoll aber nicht als schwierig bezeichnen.
Die im Denzel angegebenen Schwierigkeitsgrade sind nicht auf Endurofahrer anzuwenden:
Maßstab sind mittelmäßige Fahrer am Steuer herkömmlicher PKW.
Eine kurze Würdigung verdient noch die Verständigung:
"¿ parla alemán, español o inglés ?"
Weder mit Deutsch, Spanisch noch Englisch konnte irgendwo jemand etwas anfangen (Ausnahme: Englisch auf EINEM Zeltplatz).
In Italien habe ich die Leute einfach in spanisch angesprochen, was dem italienischen bekanntlich sehr verwandt ist
und dabei einige aufgeschnappte italienische Worte eingestreut.
Und wenn die Italiener langsam und deutlich antworteten, konnte ich sie sogar gut verstehen, wirklich praktisch.
Die Franzosen sprachen allerdings ausnahmslos Französisch, zumindest taten sie so:
hier habe ich alle meine Sprachkenntnisse, die Reste von einem Jahr Schulfranzösisch und ordentlich Gebärdensprache zur Verständigung
nutzen müssen. Sehr amüsant für alle Beteiligten.
In 2900 Km während 8 kurzweiliger Tage von denen 4 verregnet waren habe ich einen Schalthebel verbogen,
bin einmal ohne Folgen gestürzt (3 mal fast abgestiegen), habe eine Krümmerdichtung 80 Km vor Ankunft in Köln noch durchgeblasen,
mich über 2 italienische -Fahrer in Susa
die nicht grüßten (Trottel!) geärgert und trotz wunden Sitzfleisches viel, viel Spaß gehabt.
Viele Passagen auf meiner Landkarte sind noch weiß: Ich werde wieder fahren!
Ein paar ausgewählte Fotos kannst du in 3D betrachten.